Presseerklärung der Monopolkommission, Bonn, 17. März 2016


Der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Daniel Zimmer, hat heute seine Ämter durch Erklärung gegenüber dem Bundespräsidenten niedergelegt. Er begründet dies mit der Erteilung der Ministererlaubnis im Fall Edeka/Kaiser's Tengelmann.

Die Monopolkommission bedauert diese persönliche Entscheidung von Prof. Zimmer außerordentlich. Sie verliert mit ihm einen Vorsitzenden, der sich stets für die Stärkung des Wettbewerbsgedankens eingesetzt hat. Dafür gilt Prof. Zimmer der besondere Dank der Monopolkommission. In seiner fast achtjährigen Amtszeit zunächst als Mitglied, ab 1. Juli 2012 als Vorsitzender der Monopolkommission, hat Prof. Zimmer drei Hauptgutachten und 21 Sondergutachten mitverantwortet. Unter seinem Vorsitz erarbeitete die Monopolkommission insbesondere die Stellungnahmen zum Wettbewerb auf Finanzmärkten im XX. Hauptgutachten sowie zum Wettbewerb auf digitalen Märkten im Sondergutachten 68. Besonders stark involviert war Prof. Zimmer auch in die Erstellung des Gutachtens zum Ministererlaubnisverfahren Edeka/Kaiser´s Tengelmann.

 

Persönliche Presseerklärung von Professor Dr. Daniel Zimmer, Bonn, 17. März 2016


Durch Erklärung gegenüber dem Bundespräsidenten habe ich heute meine Ämter als Vorsitzender und als Mitglied der Monopolkommission niedergelegt.

Die Monopolkommission hat dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie im August 2015 einstimmig empfohlen, eine von den Unternehmen Edeka Zentrale AG & Co. KG und Tengelmann Warenhandelsgesellschaft KG bzw. Tengelmann Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH beantragte Ministererlaubnis nicht zu erteilen. Nach der einhelligen Auffassung der Kommission werden die mit dem Zusammenschlussvorhaben einhergehenden nachteiligen Wettbewerbswirkungen nicht mit hinreichender Sicherheit durch Gemeinwohlvorteile ausgeglichen.

Die nun vom Minister gewährte Ministererlaubnis erscheint unter Gemeinwohlgesichtspunkten als die schlechteste aller Lösungen:

  1. Sie schadet dem Wettbewerb. Überall dort, wo bisher Edeka und Kaiser's Tengelmann in Konkurrenz standen, entfällt dieser Wettbewerb - zum Nachteil der Verbraucher, die künftig mit weniger Auswahl und höheren Preisen rechnen müssen.
  2. Dieser Nachteil für den Wettbewerb wird nicht durch Gemeinwohlvorteile aufgewogen. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die erteilte Erlaubnis beschäftigungsfördernde Effekte hat. Die Monopolkommission hat während des Verfahrens wiederholt darauf hingewiesen, dass unter Gemeinwohlgesichtspunkten nicht der Erhalt ganz bestimmter Arbeitsplätze, sondern allenfalls eine beschäftigungsfördernde Wirkung im Ganzen eine den Wettbewerb beschränkende Fusion zu rechtfertigen vermag. Von einer beschäftigungsfördernden Wirkung des heute genehmigten Zusammenschlusses ist schon deshalb nicht auszugehen, weil das fusionsbedingte Wachstum von Edeka zu Lasten anderer Einzelhandelsunternehmen gehen wird: Es ist nicht davon auszugehen, dass die Verbraucher in Deutschland infolge des Zusammenschlusses insgesamt mehr konsumieren als zuvor. Wären Kaiser's Tengelmann-Filialen von anderen Unternehmen erworben worden, hätten diese entsprechende Umsätze erwirtschaften und Arbeitnehmer beschäftigen können. Würden einzelne Filialen nicht fortgeführt, sondern geschlossen, so würde dies zu einer Umsatzerhöhung und damit zu einer Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen Handelsunternehmen führen.
  3. Auf lange Sicht ist davon auszugehen, dass die Ministererlaubnis der Beschäftigung schadet. Edeka hat schon heute das dichteste Filialnetz. Eine Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka führt zu mehr "Doppelstandorten" (Standorte mit zwei Filialen desselben Unternehmens) als eine solche durch ein oder mehrere andere Handelsunternehmen. Edeka hat deshalb langfristig mehr Anreize zur Schließung von Filialen als irgendein anderer potentieller Erwerber. Altfilialen von Edeka können sofort geschlossen werden, da die Bedingungen der Ministererlaubnis sich nur auf die neu erworbenen Kaiser's Tengelmann-Filialen beziehen. Sobald die mit der Ministererlaubnis einhergehenden Beschäftigungsgarantien enden, ist auch bei den neu erworbenen Filialen mit Schließungen zu rechnen. Im Ganzen ist wegen der Überschneidungen bei den Filialnetzen nach einer Übernahme durch Edeka mit einem größeren Stellenabbau zu rechnen als in jedem anderen Szenario.
  4. Die Bedingungen der Ministererlaubnis stehen schließlich auch einer wirtschaftlich sinnvollen Weiterentwicklung der Strukturen im Einzelhandel entgegen.
    a) Sie verbieten Edeka für einen Zeitraum von fünf Jahren die Weitergabe von bisherigen Kaiser's Tengelmann-Filialen an selbständige Edeka-Kaufleute. Auch dort, wo eine solche d e z e n t r a l e Führung der Filialen die wirtschaftlich sinnvollste Lösung darstellt, ist Edeka künftig zur Führung dieser Filialen als "Regiebetriebe" der Edeka-Zentrale gezwungen.
    b) Zudem ist Edeka während der Laufzeit der Bedingungen nicht frei darin, Überschneidungen der Filialnetze durch Schließung der weniger wirtschaftlichen Filiale an einem Ort aufzulösen. Vielmehr ist das Unternehmen durch die Bedingungen gehalten, unabhängig von Effizienzüberlegungen allein Edeka-Altfilialen zu schließen (s.o. unter 3). Edeka wird also durch den einseitigen Bestandsschutz für bisherige Kaiser's Tengelmann-Filialen daran gehindert, die effizienteste - und damit auch volkswirtschaftlich kostengünstigste - Vertriebsstruktur zu schaffen.

Mit der Niederlegung meiner Ämter in der Monopolkommission möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es mit der Erteilung der Ministererlaubnis zu einer äußerst problematischen wirtschaftspolitischen Entscheidung gekommen ist. Eine Fortführung meiner Tätigkeit in der Monopolkommission erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird.