Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB, 5. Oktober 2021


  • Den DMA klar auf digitale Ökosysteme ausrichten.
  • Regulierungsausnahmen zulassen bei deutlichen Vorteilen für Verbraucherinnen und Verbraucher.
  • Selbstbevorzugungspraktiken umfassender untersagen.

Die Monopolkommission begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Digital Markets Act (DMA). Hintergrund des Vorschlags sind Probleme bei der Durchsetzung des bestehenden EU-Wettbewerbsrechts gegenüber großen Digitalunternehmen. So werden – bedingt durch die hohe Dynamik der Märkte – Verfahren oft zu spät eingeleitet und dauern dann nicht zuletzt aufgrund der Komplexität zu lange. „Die Strukturen zahlreicher digitaler Märkte sind dauerhaft verfestigt. Der DMA hat das Potenzial, die dortigen Machtpositionen aufzubrechen,“ so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Jürgen Kühling.

Die Monopolkommission zeigt in ihrem heute erschienenen Sondergutachten zum Digital Markets Act auf, wie der DMA gezielter darauf ausgerichtet werden kann, den Wettbewerb in digitalen Märkten zum Vorteil der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen:

Den DMA klar auf digitale Ökosysteme ausrichten. Die Monopolkommission empfiehlt, die Vorschriften auf die Betreiber digitaler Ökosysteme zu begrenzen. Wenige dominierende Tech-Konzerne weiten ihre wirtschaftliche Macht in immer mehr Bereiche aus, sodass der Wettbewerb nicht mehr nur in einzelnen Märkten, sondern in ganzen Ökosystemen gefährdet ist. Der derzeitige Vorschlag richtet sich an Unternehmen, sogenannte Gatekeeper, die als Betreiber von zentralen Plattformdiensten wie Suchmaschinen, Betriebssystemen, App-Stores oder Online-Marktplätzen tätig sind. Besonders große Gefahren für den Wettbewerb bestehen aber dann, wenn z. B. ein Anbieter, der einen App-Store, ein Betriebssystem, eine Suchmaschine und einen Sprachassistenzdienst betreibt, die Hebelung seiner wirtschaftlichen Macht aus diesen Bereichen in andere Bereiche vornimmt und dort seine Vormachtstellung ausbaut. Solche Fälle stellen aus Sicht der Monopolkommission die wesentlichen Wettbewerbsprobleme auf digitalen Märkten dar, die im derzeitigen Vorschlag unzureichend erfasst sind. Die Monopolkommission plädiert daher dafür, mit dem DMA nur diejenigen Unternehmen zu erfassen, die ein Ökosystem aus mindestens zwei zusammenhängenden zentralen Plattformdiensten betreiben oder in einer Doppelrolle, beispielsweise als Marktplatzbetreiber und Händler auf dem Marktplatz, aktiv sind. Eine Konzentration auf die Ökosystemanbieter und die wesentlichen Wettbewerbsprobleme ermöglicht auch einen effektiveren Einsatz der Ressourcen zur Durchsetzung des DMA.

Regulierungsausnahmen zulassen bei deutlichen Vorteilen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Der bisherige Entwurf des DMA enthält für digitale Gatekeeper Verhaltenspflichten, die auf eine Prüfung der Auswirkungen des Verhaltens auf den Wettbewerb im Einzelfall verzichten (sog. Per-se-Regeln). Ausnahmen von diesen Verhaltenspflichten sind nur in ganz engen Grenzen, z. B. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, möglich. Die damit verbundene Klarheit der aufgestellten Regeln ist einerseits wichtig für eine schnelle Rechtsdurchsetzung. Sie steht andererseits im Konflikt mit möglichen Vorteilen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die aus bestimmten Verhaltensweisen, z. B. der Verknüpfung mehrerer eigener Dienste oder der Zusammenführung von Daten, resultieren können. Um dem Rechnung zu tragen, sollte eine Ausnahme von den Verhaltensregeln – eine sog. Effizienzrechtfertigung – in eindeutigen Fällen ermöglicht werden. Den Nachweis für das Vorliegen solcher Vorteile müssten die Unternehmen erbringen. Die Unternehmen müssten auch nachweisen, dass die Bestreitbarkeit und die Fairness der digitalen Märkte durch ihr Verhalten nicht erheblich eingeschränkt werden. Bis zu einer Freistellung blieben die Unternehmen außerdem an die Verhaltenspflichten gebunden, um die Beschleunigung der Rechtsdurchsetzung – ein zentrales Ziel des DMA – nicht zu gefährden.

Selbstbevorzugungspraktiken umfassender untersagen. Gerade wenn eine eng begrenzte Effizienzeinrede eröffnet wird, können auch punktuelle Ausweitungen der Verbote erfolgen. Die Monopolkommission empfiehlt, insbesondere sogenannte Selbstbevorzugungsstrategien in Ökosystemen noch umfassender als in dem vorliegenden Entwurf angelegt zu untersagen (vorbehaltlich einer Effizienzeinrede). Verboten werden sollte beispielsweise neben der besonders prominenten Darstellung der eigenen Produkte die Voreinstellung eigener Dienste, z. B. des eigenen Browsers, auf dem eigenen Betriebssystem. „Durch solche Selbstbevorzugungsstrategien können die Ökosystembetreiber den Wettbewerb nicht mehr nur in einzelnen Märkten, sondern im gesamten Ökosystem verschließen,“ so Prof. Jürgen Kühling.


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