Sondergutachten der Monopolkommission zur geplanten Kartellrechtsnovelle gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB, Bonn, 01. Februar 2012
- Monopolkommission bewertet weite Teile der geplanten GWB-Novelle positiv, sieht jedoch in wichtigen Punkten dringenden Nachbesserungsbedarf
- Monopolkommission empfiehlt die Anwendung der Fusionskontrolle auf Zusammenschlüsse zwischen den gesetzlichen Krankenkassen
- Monopolkommission fordert, Trinkwasserentgelte unabhängig von ihrer Ausgestaltung als Preise oder Gebühren der wettbewerbsrechtlichen Aufsicht zu unterstellen
- Monopolkommission befürwortet Regelungen zur Rechtsnachfolge im Kartellordnungswidrigkeitenrecht
- Monopolkommission lehnt eine Verlängerung der speziellen Missbrauchsaufsicht für Energiemärkte ab
Die Monopolkommission hat heute der Bundesregierung ein Sondergutachten zum Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle zugeleitet. Das Gutachten trägt den Titel "Die 8. GWB-Novelle aus wettbewerbspolitischer Sicht".
Der Entwurf vom November 2011 enthält vor allem Vorschläge zur Anpassung der deutschen Fusionskontrolle an europäische Vorschriften sowie zur Änderung der Missbrauchsaufsicht und der kartellrechtlichen Verfahrensregeln. "Zu drängenden wettbewerbsrechtlichen Problemen, wie der Frage der Anwendbarkeit des GWB auf die gesetzlichen Krankenkassen oder auf Wassergebühren, weist der Entwurf hingegen keine Lösungsansätze auf", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.
Die Monopolkommission fordert, die gesetzlichen Krankenkassen prinzipiell dem allgemeinen Kartellrecht zu unterstellen. Dies gilt sowohl im Verhältnis der Kassen zu Krankenhäusern, Ärzten und anderen Leistungserbringern als auch zu ihren Mitgliedern. Zudem sollen auch Fusionen zwischen Krankenkassen der Fusionskontrolle unterliegen. Ausnahmen von der Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts sind ausdrücklich zu benennen und auf Bereiche zu begrenzen, in denen die Kassen aufgrund ihres hoheitlichen Versorgungsauftrags zu kollektivem Handeln verpflichtet sind. Die Monopolkommission hat einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgelegt.
Die Entgeltkontrolle in der Trinkwasserversorgung ist langfristig einer sektorspezifischen Regulierung durch die Bundesnetzagentur zu unterstellen, um einer Belastung der Verbraucher durch missbräuchlich erhöhte Entgelte effektiv vorzubeugen. Bis zur Umsetzung dieser Forderung sollen die Kartellbehörden die besondere Missbrauchsaufsicht nach § 31 des Gesetzentwurfs ausüben. Unabhängig vom Eingreifen der sektorspezifischen Regulierung oder der spezifischen Missbrauchsaufsicht im Rahmen des GWB ist gesetzlich zu verankern, dass sämtliche Wasserentgelte vom Wettbewerbsrecht erfasst sind, unabhängig davon, ob sie in Form von Gebühren oder als Preise erhoben werden. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass Kommunen sich durch eine "Flucht ins Gebührenrecht" einer effektiven Kontrolle ihrer Wasserentgelte entziehen.
Das Kartellordnungswidrigkeitenrecht weist derzeit schwerwiegende Lücken bei der Rechtsnachfolge in der Bußgeldhaftung auf, die dazu führen, dass Unternehmen sich bußgeldrechtlichen Sanktionen relativ einfach entziehen können. Dies kann selbst für zwei kartellbeteiligte Unternehmen gelten, die miteinander verschmelzen. Die Monopolkommission fordert daher die Bundesregierung auf, eine entsprechende gesetzliche Regelung zur Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge vorzulegen.
Die Geltung des § 29 GWB, der eine spezielle Missbrauchsaufsicht für Energiemärkte normiert, sollte nicht - wie geplant - verlängert werden. Die Vorschrift behindert die Entwicklung des Wettbewerbs, indem sie Chancen auf Markteintritte reduziert und den Wechsel der Kunden von etablierten Versorgern zu neuen Anbietern bremst. Potenzielle Wettbewerbsprobleme bei der Stromerzeugung oder bei Gasimporten lassen sich ohnehin nicht durch die Kontrolle der Endkundenmärkte für Strom und Gas lösen.
Im Übrigen befürwortet die Monopolkommission die geplante Übernahme des europäischen Untersagungskriteriums (SIEC-Test) in die deutsche Fusionskontrolle. Mit dem Wechsel vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test wird die Integration neuer ökonomischer Erkenntnisse in die wettbewerbsrechtliche Prüfung erleichtert sowie eine zweifelsfreie und flexible Erfassung aller potenziell wettbewerbsbeschränkenden Zusammenschlüsse ermöglicht.
Dagegen lehnt die Monopolkommission die Aufnahme eines einzelfallbezogenen Effizienzeinwands nach europäischem Vorbild in das deutsche Recht ab. Effizienzgewinne und sonstige positive Auswirkungen von Zusammenschlüssen können zum Teil bereits nach geltender deutscher Rechtslage berücksichtigt werden. Gegen eine weitergehende, einzelfallbezogene Effizienzprüfung sprechen deren hohe Kosten und der geringe damit verbundene Nutzen.
Die Monopolkommission bewertet die beabsichtigte Neufassung der Vorschriften zur allgemeinen Missbrauchsaufsicht positiv. Der Regelungskomplex wird hierdurch klarer und verständlicher. Die Monopolkommission fordert erneut die Abschaffung des Verbots von Untereinstandspreisverkäufen. Auch auf dem Tankstellemmarkt lassen sich Wettbewerbsprobleme aus Sicht der Monopolkommission nicht durch das Verbot von Untereinstandspreisverkäufen nachhaltig überwinden. Etwaige Wettbewerbsprobleme auf Tankstellenmärkten können ihrer Auffassung nach nur unter Einbeziehung der Raffinerieebene gelöst werden. Die Monopolkommission regt daher eine Sektoruntersuchung dieses hochkonzentrierten Marktes durch das Bundeskartellamt an.
Hier finden Sie:
die Pressemitteilung der Monopolkommission
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