Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 78 ERegG, 04. Juli 2023
Die Monopolkommission stellt heute ihr neuntes Sektorgutachten Bahn vor.
- Die geplante Umstrukturierung des DB-Konzerns bietet Chancen für den Wettbewerb im Bahnsektor. Hierzu sollte die neue Infrastruktursparte InfraGo wirtschaftlich und organisatorisch unabhängig aufgestellt sein.
- Notwendige Voraussetzung für die Belebung des Wettbewerbs und die Attraktivität der Schiene ist eine bessere Qualität der Infrastruktur. Die Monopolkommission empfiehlt daher eine neue qualitätsorientierte Entgeltregulierung.
- Einen Beitrag zur Qualität können auch innovative Vertriebsdienstleister von digitalen Fahrkarten leisten, sofern sie Zugang zu allen wettbewerbsrelevanten Echtzeit- und Prognosedaten der Infrastruktur erhalten. Die InfraGo müsste diese Daten allen Wettbewerbern gleichermaßen zur Verfügung stellen.
In ihrem heute veröffentlichten 9. Sektorgutachten im Eisenbahnbereich mit dem Titel „Time to GO: Endlich qualitätswirksam in den Wettbewerb!“ macht die Monopolkommission Empfehlungen zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnmarkt. „Es wird höchste Eisenbahn für ambitionierte Reformen,“so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Jürgen Kühling. Das zeige sich nicht zuletzt an den gravierenden Qualitätsmängeln der gesamten Infrastruktur und den vielen Verspätungen und
Zugausfällen. Die geplante Gründung einer gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft kann ein sinnvoller Baustein eines umfassenden Reformpakets sein.
Umstrukturierung des DB-Konzerns wettbewerblich angehen. Die Bundesregierung strebt aktuell eine Umstrukturierung des DB-Konzerns an. Die Infrastruktureinheiten DB Netz und DB Station & Service sollen zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte (InfraGo) zusammengelegt werden. Bei der reinen Zusammenlegung darf es jedoch nicht bleiben. Vielmehr ist auf eine wettbewerbliche Ausgestaltung der InfraGo zu achten. Die Monopolkommission empfiehlt hierzu eine weitgehende wirtschaftliche und organisatorische Unabhängigkeit von den anderen Gesellschaften des DB-Konzerns. Hierzu sollte eine personelle Unabhängigkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats der neuen Gesellschaft
von den Verkehrsgesellschaften des DB-Konzerns sichergestellt werden. Darüber hinaus sollten die Nachsteuerergebnisse der Gesellschaften des DB-Konzerns transparenter in den Geschäftsberichten ausgewiesen werden, um einer wettbewerbsschädlichen Quersubventionierung entgegen zu wirken. „Eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft muss sich allen Nutzern der Infrastruktur gleichermaßen verpflichtet fühlen“, so der Vorsitzende der Monopolkommission.
Qualitätsregulierung neu ausrichten. Die deutsche Schieneninfrastruktur ist in einem qualitativ schlechten Zustand. Dies zeigt sich unter anderem an der hohen Anzahl überalterter Gleise und Weichen oder den vielen sanierungsbedürftigen Eisenbahnbrücken. Die Folge sind viele Verspätungen und Zugausfälle zulasten der Reisenden und Verlader. Da die gegenwärtige Regulierung hier keine Abhilfe schafft, ist eine Neuausrichtung der Eisenbahnregulierung dringend erforderlich. „Die Regulierung muss stärkere Anreize für den Infrastrukturbetreiber setzen, nachhaltig in die Qualität der Infrastruktur zu investieren“, so der Vorsitzende der Monopolkommission. Die Monopolkommission empfiehlt hierzu, die Qualitätssicherung zukünftig im Rahmen der Entgeltregulierung zu verankern. Dabei sollten die Trassenpreise, die der Infrastrukturbetreiber von den Eisenbahnverkehrsunternehmen verlangen kann, an die Erreichung bestimmter Qualitätsziele – etwa bei der Pünktlichkeit oder der Netzgröße – geknüpft sein. Dies schafft echte Anreize beim Infrastrukturbetreiber, für eine bessere Qualität im Eisenbahnsektor zu sorgen. Im Übrigen sind alle weiteren Kontrollmechanismen auf ihre Qualitätsorientierung hin zu überprüfen. Insoweit begrüßt die Monopolkommission, dass endlich eine Finanzierung auch von Bestandsinfrastrukturen aus den Mitteln der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eröffnet werden soll, die bislang nur Neuinvestitionen bezuschusst. Eine solche Erweiterung mahnt die Monopolkommission schon seit geraumer Zeit an. Sie wird dafür sorgen, dass die Eisenbahninfrastruktur nicht mehr „auf Verschleiß“ gefahren wird. Außerdem ist eine Rückkopplung der in diesem Zusammenhang regulatorisch aufgestellten Qualitätsziele mit der Vergütung des DB-Managements dringend zu empfehlen. Hierfür ist ein struktureller Kulturwandel in der Führung des DB-Konzerns zwingend notwendig. Diese muss sich deutlich stärker als bisher allen Kundinnen und Kunden der Infrastruktur verpflichtet fühlen.
Wettbewerb im Vertrieb ermöglichen. Eine weitere Voraussetzung für Wettbewerb auf der Schiene ist ein Wettbewerb im Vertrieb. Denn erst dann können Wettbewerber des DB-Konzerns auch besser von den Reisenden wahrgenommen und gebucht werden. Hiervon können Reisende unmittelbar durch günstigere Ticketpreise profitieren. Das zeigen Erfahrungen in anderen Ländern, etwa in Spanien. Im deutschen Markt hingegen haben es unabhängige Vertriebsdienstleiser schwer, Fuß zu fassen. Das liegt vor allem daran, dass der DB-Konzern konkurrierenden Vertriebsunternehmen Daten der Infrastruktur, vor allem zu erwarteten Ankunfts- und Abfahrtzeiten, zugunsten des eigenen Vertriebs vorenthält. „Bei einer ernst gemeinten Orientierung am Gemeinwohl sollten solche Behinderungspraktiken gegenüber Wettbewerbern zukünftig abgestellt werden“, so der Vorsitzende der Monopolkommission.
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die Pressemitteilung
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