Hauptgutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB, 20. September 2016


  • Monopolkommission begrüßt erweiterten Anwendungsbereich der Fusionskontrolle
  • Monopolkommission befürwortet einfachere Durchsetzung der Schadenersatzansprüche von Kartellgeschädigten
  • Monopolkommission für Schließung von Lücken bei der kartellrechtlichen Bußgeldhaftung

Der Referentenentwurf zur Neunten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom Juli 2016 soll das Gesetz an die voranschreitende Digitalisierung der Wirtschaft anpassen. Des Weiteren dient er der Umsetzung der EU-Schadenersatz-Richtlinie und der Schließung von Haftungslücken im Kartellbußgeldrecht. Mit ihm werden mehrere Empfehlungen der Monopolkommission umgesetzt.

„Die Einführung eines weiteren fusionskontrollrechtlichen Aufgreifkriteriums ist notwendig, um Wettbewerb auf digitalen und anderen besonders innovativen Märkten nicht zu gefährden", sagt der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Achim Wambach. Gegenwärtig kann der Erwerb von Unternehmen, die zwar ein erhebliches Marktpotenzial, bislang aber nur geringe Umsatzerlöse haben, oftmals nicht kartellbehördlich geprüft werden. Dies ist selbst dann der Fall, wenn der Erwerber Marktführer ist. Das neue Aufgreifkriterium soll sich daher am Transaktionsvolumen einer Fusion – in der Regel am Kaufpreis – orientieren. Dieser spiegelt üblicher Weise die künftigen Erfolgschancen eines Unternehmens am Markt wider. Die Monopolkommission empfiehlt eine vergleichbare Regelung auch für die europäische Fusionskontrolle, bei der dieselbe Problematik besteht.

Die Umsetzung der EU-Schadenersatzrichtlinie ins deutsche Recht wird es Unternehmen und Verbrauchern erleichtern, durch ein Kartell verursachte Vermögensschäden gerichtlich geltend zu machen. Die Monopolkommission begrüßt diese Rechtsentwicklung. Sie macht Vorschläge, wie die Position von Kartellgeschädigten noch weiter gestärkt werden könnte. Unter anderem spricht sie sich für längere Verjährungsfristen aus, da die Betroffenen oft erst sehr spät Kenntnis von Kartellschäden erhalten. Auch der kollektive Rechtsschutz sollte gestärkt werden, weil er Geschädigten den Zugang zur Justiz erleichtert und zugleich deutsche Gerichte entlasten kann. Dazu könnte die Möglichkeit einer Gruppenklage geschaffen werden, der sich Interessierte ohne größeren Aufwand anschließen können (Opt-in-Modell). Außerdem besteht das Problem, dass Schäden auf Verbraucherebene mitunter so gering sind, dass es sich für den einzelnen Verbraucher nicht lohnt, Schadenersatz geltend zu machen. In diesen Fällen sollten Verbände wie die Verbraucherzentralen für eine Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils sorgen können. Diese Möglichkeit besteht derzeit nur theoretisch und sollte attraktiver ausgestaltet werden.

Gegenwärtig können sich Konzerne durch Umstrukturierung einem Bußgeld wegen Kartellverstößen entziehen, indem das haftende Tochterunternehmen aus dem Markt scheidet. Diese Haftungslücke wird nach einem bekannten Kartellfall auch „Wurstlücke" genannt. Die Monopolkommission hat schon im Oktober 2015 empfohlen, diese Lücke durch eine Haftungserweiterung – unter anderem für Muttergesellschaften im Konzern und Rechtsnachfolger – zu schließen. Der Gesetzesentwurf enthält eine entsprechende Erweiterung der bußgeldrechtlichen Haftung. Eine solche Neuregelung ist überfällig. Sie verbessert die Rechtsdurchsetzung und beendet die aktuelle Bevorzugung von Konzernen gegenüber einzelnen Unternehmern.

Die aktuelle GWB-Novelle sieht Ausnahmen vom Kartellverbot für Pressekooperationen außerhalb des redaktionellen Bereichs vor. Dem steht die Monopolkommission kritisch gegenüber. Die Begründung der vorgesehenen Gesetzesänderung mit Rationalisierungs- und Synergievorteilen überzeugt nicht. Diese können in der Regel schon im bestehenden Rechtsrahmen berücksichtigt werden. Ferner dürfte der praktische Anwendungsbereich der geplanten Regelung wegen des Anwendungsvorrangs des – strengeren – europäischen Kartellrechts beschränkt bleiben.


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