Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB, 3. August 2015


  • Die Monopolkommission empfiehlt, die von Edeka und Tengelmann beantragte Ministererlaubnis nicht zu erteilen.
  • Die Monopolkommission sieht auch keine Möglichkeit, die Ministererlaubnis mit Bedingungen und Auflagen zu erteilen.

Die Monopolkommission hat dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie ein Sondergutachten zum Ministererlaubnisverfahren im Zusammenschlussvorhaben Edeka und Kaiser's Tengelmann übermittelt. Die Kommission wägt in ihrem Gutachten die zu erwartenden Wettbewerbsbeschränkungen aus der geplanten Fusion mit möglichen Gemeinwohlvorteilen ab. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Gemeinwohlvorteile die Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen. Die Ministererlaubnis sollte nicht erteilt werden.

Bei der Würdigung der Wettbewerbsbeschränkungen ist die Monopolkommission – soweit keine offensichtlichen Fehler vorliegen – an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Bundeskartellamtes gebunden. Zu beurteilen ist die Bedeutung der Wettbewerbsbeschränkungen in Relation zu der Bedeutung der Gemeinwohlvorteile. Nach Auffassung der Monopolkommission sind die Wettbewerbsbeschränkungen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten des Lebensmitteleinzelhandels erheblich. Die Übernahme hätte, gemessen an den Volumina der betroffenen Märkte sowie den Umsätzen der beteiligten Unternehmen, erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung. Der Zusammenschluss mit Kaiser's Tengelmann würde die starke Marktstellung von Edeka auf den regionalen Angebotsmärkten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels ausbauen und absichern. Auf den Beschaffungsmärkten entfiele mit Kaiser's Tengelmann ein bisher teilweise unabhängig beschaffendes Handelsunternehmen als Absatzalternative für viele Hersteller. Die Verhandlungsposition von Edeka gegenüber den Herstellern würde damit gestärkt.

Diese Nachteile werden durch eine von den Unternehmen behauptete Sicherung von rund 5.700 Vollzeitstellen nicht aufgewogen. „Es bestünde auch im Fall einer Gesamtübernahme durch Edeka ein Bedarf für Restrukturierungen, die zum Abbau von Arbeitsplätzen führen würden. Nach bisheriger Erfahrung bieten sich gerade die durch einen Zusammenschluss duplizierten zentralen Strukturen, etwa bei Produktion, Logistik und Verwaltung, als Synergiepotenzial an. Zudem ist zu beachten, dass eine Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch das Unternehmen mit dem dichtesten Filialnetz – Edeka – zu ‚Doppelstandorten', d.h. von Standorten mit zwei Filialen desselben Unternehmens, führen würde. An solchen Doppelstandorten bestehen aus Kostengründen in längerer Frist Anreize zur Schließung einer Filiale mit der Folge eines Arbeitskräfteabbaus", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Daniel Zimmer.

Die von den Antragstellern vorgetragene Arbeitsplatzsicherung ist nicht mit hinreichender Sicherheit erwiesen. Eine verbindliche Garantie für den dauerhaften Erhalt der Arbeitsplätze lässt sich weder aus dem Umstand einer Gesamtübernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka in Form eines Share Deal (Beteiligungserwerb) noch aus der Vorschrift des § 613a BGB herleiten. Zwar bleiben bei einem Beteiligungserwerb die bestehenden Arbeitsverhältnisse und die individuellen Arbeitnehmerrechte zunächst unberührt. Auch bleiben bestehende Rechte aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie bestehende Mitbestimmungsstrukturen erhalten. Das übernehmende Unternehmen ist aber nicht daran gehindert, Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen, die sich auch in Form eines Beschäftigungsabbaus niederschlagen können. Hinzu kommt, dass tarifvertragliche Vereinbarungen zwischen der Arbeitnehmervertretung sowie der Edeka Zentrale über die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen ins Leere laufen würden, soweit diese die selbstständigen Edeka-Einzelhändler, auf welche die Filialen übertragen werden sollen, nicht binden.

Auch ist nicht hinreichend erwiesen, dass nach einer Ministererlaubnis durch Edeka mehr Arbeitsplätze langfristig erhalten werden als in Alternativszenarien, die sich ergeben, wenn die Ministererlaubnis nicht erteilt wird. So besteht im Hinblick auf eine große Zahl von Standorten ein Interesse auch von anderen Handelsunternehmen an einer Übernahme und Fortführung der Filialen von Kaiser's Tengelmann. Bei weniger attraktiven Filialen wird auch im Fall einer Gesamtübernahme durch Edeka ein Bedarf für Restrukturierungen bestehen, die zum Abbau von Arbeitsplätzen in einem insgesamt nicht unerheblichen Umfang führen würden. Die Kompensation dieser Arbeitsplatzverluste durch die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze mittels Neueröffnung von Filialen und Umsatzwachstum bei den übernommenen Filialen ist nicht mit der notwendigen Sicherheit vorherzusagen. Die geplante Gründung einer Transfergesellschaft zeigt bereits, dass nicht sämtliche Arbeitsplätze im Unternehmen erhalten werden können. Soweit ein Teil der Beschäftigten über die Transfergesellschaft eine neue Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt findet, wäre der geplante Zusammenschluss zudem nicht für den Arbeitsplatzerhalt ursächlich. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Beschäftigungseffekte ist schließlich in Rechnung zu stellen, dass ein möglicher Erhalt von Arbeitsplätzen bei einem marktmächtigen Unternehmen mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen bei dessen Wettbewerbern verbunden sein kann.

Im Ministererlaubnisantrag wurden weitere Gemeinwohlvorteile vorgetragen, die entweder als solche nicht anzuerkennen sind oder deren Vorliegen nicht erwiesen ist. Als Gemeinwohlvorteil könnte der Erhalt von betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen in Betracht gezogen werden, wie sie derzeit in den Filialen von Kaiser's Tengelmann sowie in anderen zu übernehmenden Bereichen existieren. Vorliegend ist aber nicht vom Erhalt der Mitbestimmungsstrukturen auszugehen, da eine „Privatisierung", d.h. eine Übernahme einer großen Zahl von Filialen durch zur Edeka-Gruppe zählende selbstständige Einzelhändler, vorgesehen ist.

Allenfalls ausnahmsweise als Gemeinwohlvorteil anzuerkennen ist die Entlastung öffentlicher Haushalte in Form von steigenden Steuereinnahmen auf der Unternehmensseite. Die hohen Anforderungen, die an den Nachweis eines solchen Arguments zu stellen wären, sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Ministererlaubnis sollte auch nicht mit Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Nicht mit dem Gesetz vereinbar wären Nebenbestimmungen, die eine laufende Verhaltenskontrolle notwendig machen. In diese Kategorie fallen etwa Nebenbestimmungen im Hinblick auf Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung oder den Verzicht auf Konditionenanpassungen bei den Herstellern. Mit dem Gesetz vereinbar wären Nebenbestimmungen im Hinblick auf die Veräußerung von Unternehmensteilen. Auch eine solche Nebenbestimmung würde nach Einschätzung der Monopolkommission nicht dazu führen, dass die Gemeinwohlgründe die Wettbewerbsnachteile aufwiegen.


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